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Paso Doble
Eine Gemeinschaftsausstellung von Ines Diederich und Michael Kruscha

Paso doble – zwei Künstler begegnen sich, treten miteinander in Beziehung, bewegen sich aufeinander zu, führen einen Dialog: Ines Diederich ist Bildhauerin, die neben ihren Plastiken, Skulpturen und Objekten auch Reliefbilder gestaltet, sich somit vom Dreidimensionalen zur Bildfläche bewegt – Michael Kruscha ist Maler und Grafiker, dessen bildnerische Reduktion die Figur losgelöst von einer Raumszene verabsolutiert und so eine Nähe zum vollplastischen Körper erzeugt.

Der Gemeinschaftsausstellung liegt eine doppelte Verbindung zugrunde, denn das Konzept basiert auf gegenseitigen formalen Annäherungen sowie auf verwandten thematischen Anregungen. Beide Künstler ließen sich von archaischen Ursprüngen inspirieren, von mythischen Vorstellungen und kulturellen Traditionen. Gestaltet Kruscha in seinen Bildern sinnliche Erlebnisse, visualisiert Diederich mythische Vorstellungen in symbolischer Form. Motive und Gestalten variieren, umkreisen zentrale Ideen, bespielen teils dualistisch, teils solistisch die Felder.

In Toros ist das dualistische Prinzip immanent, zeigt sich im Motiv des Kampfes, in den Antagonisten Tier und Mensch. Der Bildserie geht eine Reise nach Spanien voraus, wo Michael Kruscha den Stierkampf selbst beobachten und skizzieren konnte. Fasziniert von der Vitalität und Dynamik, überträgt der Künstler die Momente spannungsvoller Begegnung mit den Mitteln der Malerei. Auf den ersten Arbeiten verschiedenfarbigen Grunds werden nach den Skizzen Bewegungsimpulse in schnellen Linienschwüngen und kraftvollen Gesten auf die Fläche gesetzt, die schmale Figur des Toreros und den massigen Körper des Tieres andeutend.

Die weiteren Bilder entwickeln aus dem grafisch-linearen Ursprung malerische Komplexität und Eigenständigkeit. In Pamplona polarisiert der Hell-Dunkel-Kontrast Stiere und Flüchtende, während der Übergang von Schwarz, Grau und Weiß die Szene vermittelt. Unscharfe Konturen steigern den Geschwindigkeitseindruck um den Wendepunkt von Ansturm und Flucht in der Bildmitte. Sind hier Mensch und Tier optisch getrennt, werden sie in anderen Bildern im abstrakten Motiv vereinheitlicht, das im breiten Farbauftrag oder in farblicher Differenzierung, als Positiv- oder Negativform erscheint.

Der visuellen Verschmelzung von Mensch und Tier entspricht in den Reliefs von Ines Diederich die religiöse Vorstellung einer Seelenwanderung oder -verwandtschaft – eine Vorstellung, die sich in mehreren archaischen Kulturen finden lässt. Fulgien und Naguale verweisen im Grunde auf das Gleiche, werden hier durch den Stierschädel symbolisiert, der an die Vergänglichkeit des Körpers mahnt und zugleich die Möglichkeit einer überdauernden Seele andeutet. Der physischen Präsenz Kruschas lebendiger Stiere setzt die Bildhauerin ideale Erscheinungen unsterblicher Tierseelen entgegen.

Das Tier erfährt eine Vergeistigung, indem Diederich auf die Darstellung des Körpers verzichtet und einzig den Kopf in formaler Abstrahierung darstellt: der Stier wird auf sein wesentliches Merkmal Kopf mit Hörnern reduziert, ist teils noch abbildhaft differenziert, teils in einer Urform symbolisiert. Die Tönung des Reliefgrunds in einer Farbe hebt das Plastische des Gehörnten deutlich hervor und lässt das gemeinsame Material (Terracotta) zugunsten der Bildwirkung zurücktreten. War in Kruschas Malerei eine Abstraktion des Sinnlichen erzielt worden, versinnbildlicht Diederich das Symbolisch-Abstrakte.

Die Darstellung der weiblichen Figur zeigt deutlich diesen Gegensatz: Kruscha ließ sich zu seiner Serie Alegria von einer Flamencotänzerin anregen. Bewegungsstudien fixieren die verschiedenen Ausdrucksformen abrupter und schwingender Bewegungen, die Wechsel zwischen Spannung und Entspannung, Konzentration und Lösung. Mit Episkop überträgt er die Konturen, setzt jeweils zwei Figuren übereinander auf den malerisch gestalteten Grund, oder lässt die gestaltete Kontur unter der monochromen Fläche stehen. Eine neue Spannung entsteht zwischen Linie und Fläche, Zeichnung und Malerei, Ausdrucksmoment und Tanz.

Anders bei Diederich: Hier wird der weibliche Körper Teil der mentalen Sphäre. Die Bildhauerin konzentriert sich bei ihren Akten ganz auf den Körper, auf das vollplastische Volumen, auf die organische Form. Ob aus Holz oder Terrakotta, ob als Ganzes oder als Torso – stets ist die Figur eine einheitliche, geschlossene Form. Oft fehlt der Kopf, ebenso die Gliedmaßen, oder sie umschließen – wie bei Dämmerung – eng den eigenen Körper, verstärken das In-sich-Ruhende der Gestalt. Die Künstlerin zeigt das Weibliche weniger in realer Außenansicht als das sich im Körperausdruck offenbarende Innenleben.

Hierbei besinnt sich Diederich auf Mythologien, in denen Frauenfiguren bestimmte seelische Zustände erleben. Glauke steht mit Medea in Beziehung, deren Schicksal mit dem Goldenen Flies verknüpft ist. Auch diese Serie vergegenwärtigt etwas Inneres: materielle Begierde, Gier. Schafswolle und Blattgold verleihen dem Goldenen Flies, als Symbol jener menschlichen Eigenschaften, physische Präsenz. Wie in den houses of the holy kreiert die Bildnerin Objekte, die etwas Nicht-Sichtbares, eine Empfindung oder Vorstellung, sichtbar machen – wir vollziehen vom Sinnlich-Gestalteten aus den Schritt zum Seelisch-Geistigen.

Damit gehen die Künstler verschiedene Wege der Abstraktion: Michael Kruscha fängt visuelle Erlebnisse mit bildnerischen Mitteln ein – Ines Diederich übersetzt abstrakte Ideen in ästhetische Form. Ob äußere Bewegung oder innere Regung, vita activa oder contemplativa, beiden ist das Sinnlich-Körperliche Ausdruck des Gefühls sowie des Geistigen.

© Dr. Marina Linares, Kunsthistorikerin (Köln, April 2010).



INES DIEDERICH:
Plastische Form öffnet sich für neue Ideen

Ines Diederich präsentiert ein umfangreiches Oeuvre, das uns die Ausdrucksvielfalt plastischer Bildkunst vor Augen führt. Angefangen mit traditionellen Materialien und Techniken einer Bildhauerin (Terrakotta, Holz, Bronze), hat sie zunehmend neue Werkstoffe und Konzepte in ihr künstlerisches Schaffen integriert und das gesamte Spektrum von Plastik, Skulptur, Relief, Objektkunst, Landart, Licht- und Klang-skulptur bis zur Performance erprobt.

Alle Werkperioden zeichnen sich durch organisch-runde Formgebung aus, ob gegenständlich (wie in zahlreichen Akten, Portraits oder Tierfiguren) oder abstrakt. Oft neigt die Künstlerin zur abstrahierenden Darstellung, die den Übergang vom organischen Körper zu abstrakten Volumina ermöglicht. In beiden Fällen prägen sanfte Wechsel von Wölbungen und Senkungen, von Licht und Schatten, von Ausbreitung und Verdichtung die Gestalt.

Während die früheren Arbeiten geschlossene, massive Formen zeigen, öffnen sich die späteren zunehmend – sie zeigen Leer- und Innenräume, erlauben Ein- und Durchblicke, erweitern das Konzept. Plastizität wird komplexer, indem formbarer Stoff zur gestalteten Hülle wird, zur umfangenden Begrenzung eines immateriellen Inneren. Hierbei verbinden sich Diederichs Kenntnisse und Fähigkeiten (Bildhauerstudium in Berlin, Ausbildung zur Keramikerin), bilden originäre Synthesen.

So erscheinen Landart-Objekte aus geflochtenen Zweigen wie riesige Larven oder Tierbauten, die sich optimal in die Landschaft einfügen. Form, Material und Installation lassen an natürliche Schöpfungen denken, an die bildenden Naturkräfte, die sich – selbst unsichtbar – in jeder Form offenbaren. Das Ei ist zentrales Motiv, das als Urform den Keim aller Gestaltbildung in sich trägt. Auf der Symbolebene werden Natur- und Kunstschöpfung, Leben und Technik vereint.

Die Bildhauerin formt nicht nur den Stoff, sie konzipiert Skulpturen mit Licht und Klang. Die Polarität von Stoff und Formung, Raum und Begrenzung, Statik und Kraftwirkung kulminiert im Feuer: notwendig zur Veredelung von Keramik, eingesetzt zur Gestaltung von Materialbildern, veranschaulicht es in einer der monumentalen Schneeskulpturen über Pyrotechnik die inneren Energien. In Feuerperformances inszeniert Ines Diederich die Formdynamik im Übergang vom Gestalteten zum Prozesshaften, im Substanz und Idee vereinenden Moment.

© Dr. Marina Linares, Februar 2010.



Der Tanz des Phönix
Installation bestehend aus Holzkonstruktion und Bodenrelief
Ines Diederich / Michael Kruscha

Für die Installation im Tagebau vor Gut Geisendorf haben wir uns von folgenden Gedanken leiten lassen: Dort wo heute um das Gut Geisendorf Kohle abgebaut wird, lag einst das Dorf Geisendorf mit seinen 19 Gehöften. Die Bewohner haben ihre Wohnplätze aufgegeben damit an eben dieser Stelle die Braunkohle abgebaut werden kann.

Das Bodenrelief sowie der Einsatz der unterschiedlich farbigen Bodenschichten, so wie sie im Tagebau zu finden sind, folgt in seinem Design dem ehemaligen Verlauf der Straßen des Dorfes Geisendorf. Die Struktur der einzelnen Segmente markiert nicht nur die Straßenzüge. Die Anordnung der farbigen Sande und Erden folgt der Lage der ehemaligen Gehöfte, Gärten und kleinen Feldern der einstigen Geisendorfer. Im Zentrum der Installation, grafisch als Spirale angedeutet, befindet sich der Phönix genau auf der Stelle, an der sich seiner Lage gemäß das heutige Kulturforum befindet. Der Phönix wird aus Altholz aus einem der noch abzutragenden Ort der Umgebung als eine Balken-/Plankenkonstruktion aufgebaut werden.

Während die früheren Arbeiten geschlossene, massive Formen zeigen, öffnen sich die späteren zunehmend – sie zeigen Leer- und Innenräume, erlauben Ein- und Durchblicke, erweitern das Konzept. Plastizität wird komplexer, indem formbarer Stoff zur gestalteten Hülle wird, zur umfangenden Begrenzung eines immateriellen Inneren. Hierbei verbinden sich Diederichs Kenntnisse und Fähigkeiten (Bildhauerstudium in Berlin, Ausbildung zur Keramikerin), bilden originäre Synthesen.

Das Bodenrelief und die farbige Gestaltung in seiner Mitte sollen für die Vergangenheit des Ortes stehen. Seine Veränderungen, der Verlust der Landschaft und auch die Verwundungen, die die Menschen davon getragen haben, waren die Grundlage für die Bergung der Kohle im Revier.

Der Phönix wird zur Finissage der Ausstellung in einer Performance durchs Feuer gehen. Wie der Phönix aus der Asche, hoffen wir, daß mit der Energie, die aus der Kohle gewonnen wird, Positives und für alle Sinnvolles und Aufbauendes getan wird.

Daß das Leben für die Menschen der Region in neuem Glanz wieder ersteht und der Wandel für alle zum Guten gereichen möge, auch dafür soll unsere Installation und die Feuerperformance zum Abschluß inhaltlich stehen.

Ines Diederich



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